Zeiten der Veränderung

Vor 3 Jahren habe ich meinen Job in einer großen Medienagentur gekündigt und an meinem letzten Arbeitstag den Kaufvertrag für einen T4 unterschrieben. Kurz vorher hatte ich mich von meiner großen Wohnung und reichlich Hab und Gut getrennt, um mit meinem Freund in seine sehr viel kleinere Wohnung zu übersiedeln. Idee: Materielles verringern, Freiraum vergrößern.

Mir stand nach gut 7 Jahren (mal wieder) dringend der Sinn nach neuen Themen, neuen Umständen, nach Veränderung und neuer Herausforderung. Mindestens das erste Jahr sollte dem Reisen gewidmet sein, weitere Zeit für Orientierung und was danach kommen sollte, war bewusst auf „open end“, mir war wichtig, mich zeitlich nicht einzuschränken.

Erstmal weg von – ohne Limit

Ich habe Übung mit dem Beschreiten neuer Wege und dem Beginn neuer Phasen, und diesmal das deutliche Gefühl, dass es etwas länger brauchen wird, um wirklich sicher zu sein, was „das Nächste“ sein soll.

Los ging’s und durch viele Länder Europas. Hier haben wir unsere Erlebnisse dokumentiert: hessenorhell.de

So begannen mehrere Jahre des Reisens und Unterwegsseins, inwendig wie äußerlich. Verheißungsvoll, so ungebunden und ohne Verpflichtungen, keine Kinder, die Eltern gesund – materiell fühlte ich mich sicher, wir hatten unsere laufenden Kosten bewusst auf ein Minimum reduziert, so dass wir uns eine Zeitlang leisten konnten, die Dinge laufen zu lassen. Zudem hatten wir unseren Not-Joker, unterwegs jederzeit entweder Straßenmusik machen zu können oder WordPress-Seiten zu betreuen, wir mussten also nicht nervös sein.

Die Zeit war so großartig wie vielfältig, natürlich oft anders als gedacht, aber voller Luxus in Freiraum und Erlebnis. Man kann sehr viel lernen beim Reisen, das ist bekannt. Auch und vor allem über sich selbst, man nimmt sich mit und sehr unter die Lupe. Wir hatten fantastische Tage gemeinsam 24/7 auf 15qm und uns zum Glück ergänzt und nicht gekillt.

Ungebunden vs eingebunden

So sehr ich diese Zeit der Ungebundenheit geliebt habe, so sehr hab ich mich wieder nach Angebundensein gesehnt. Nach gebraucht werden und eingebunden sein, in eine Aufgabe, in ein Team, verbunden mit Anerkennung und sozialer Verantwortung.

Das geht nicht jedem so, mein Freund ist der wirklich Unabhängige, er könnte Jahre reisen und unterwegs sein ohne sich je verloren, nicht zugehörig oder nicht gebraucht zu fühlen. Mich zog es zu neuen Aufgaben – dabei fühlte ich mich als Verräterin des freien Seins und furchtbar undankbar, dass ich mich nach „Arbeit“ sehne. Was mich zu sehr vielen Betrachtungen zu Arbeit, Aufgabe, Anerkennung, der Entkopplung von Leistung und Lohn, zu Erziehung, Gewohnheit, Leistungsgesellschaft, Verantwortung und sozialer Teilhabe brachte. Monatelang hatte ich Diskurse dazu – mit mir, mit anderen und in vielen Tagebucheinträgen.

Die Frage, was mich wirklich treibt und antreibt, ist mir eine Elementare, ich kann mich daran wunderbar abarbeiten, wer möchte, hier gibt es einen Einblick: Redundanz im Karussel

Das Thema ist bei weitem nicht abgeschlossen, aber für den Moment insofern befriedet, als ich mich neuen Aufgaben widme und zumindest die Entkopplung von Leistung und Lohn übe. Was ja für Viele auf dem Arbeitsmarkt nichts Neues ist, jede PraktikantIn und Geringverdiener ist Profi darin. Vornehmer nennt sich der Zustand „Ehrenamt“ und wird nun mein Wiedereinstieg in die Arbeitswelt. Ich freu mich darauf, weil es eine völlig uncoole Form des Experimentierens ist, relativ ungeachtet und unbeachtet, was mich so ruhig wie aggressiv macht – je nach Hormonlage. Auf in die nächste Lebensphase.