… und zwar bereits im April. Warum ich den weder an Ostern, noch im Juni veröffentlicht habe, sondern erst jetzt, erschließt sich (hoffentlich/vielleicht) beim Lesen.
Ich nehm mein persönliches Osterwunder zum Anlass, dies zu schreiben. Moment, Ostern? Es ist bereits Juni … (Anm. heute: das war bereits der zweite Versuch.) Denn dass die Amaryllis, die ich im Winter 2019 von meiner Nichte zum Geburtstag bekam, seit Ostersonntag blüht, was sie aus der Zwiebel weder so spät noch zweimal tut, ist mir kick-ass und Zeichen – denn auch von Pflanzen und Beziehung soll das hier handeln. Und so konstruiert dies klingt, so symbolisch aufgeladen und verwoben ist es eben auch. Und ausnahmsweise hab ich meine Wunderthese der Amaryllisblüte nicht recherchiert, um mich nach allen Seiten abzusichern, was ich sonst natürlich tue (deswegen entstehen solche Beiträge dann auch nie), denn …
… ich bin eine Meisterin des Vergleichens und Absicherns, in guten wie in schlechten Zeiten, also selbst wenn ich mich erfolgreich fühle, geht ständig der Kopf nach links und rechts, einerseits ob es genug sehen und hoffentlich auch toll finden, andererseits aber/und – ich auch niemanden verdecke. Eine Ambivalenz, die aus einem protestantischen Elternhaus kommt? Keine Ahnung, ob die starke Schwankung zwischen „Mist, niemand sieht, was ich kann und tue“ und „Oh, hoffentlich bin ich niemandem zu dominant“ ein weibliches, kindheitstraumatisches Phänomen oder das völlig normale Gebahren einer Soloselbstständigen ist. Und da ist der Aspekt, dass jemandem der Inhalt nicht gefällt, ich also nicht geliebt und anerkannt werde für das, was ich sage oder tue, noch gar nicht berücksichtigt.
Sichtbarsein und Selbstmarketing sind auch ohne Pandemie und Kontaktsperre ein Thema, besonders deutlich wird es aber tatsächlich während eines Lockdowns, da das Zweifeln an der eigenen Person – ohne analoge Kontakte – im rein Digitalen noch viel besser gelingt, da Erfolg und Misserfolg so hübsch prompt messbar sind und zudem Menschen im Videochat einfach nicht so gut zu lesen und zu beeinflussen sind, wie wenn man sie um sich herum hat, sie viel genauer beobachten und spüren kann. Scheitern und nicht dazugehören ist da schnell mein Alltagsgefühl.
Ich mach normalerweise Marketing für andere, in dieser Richtung der Sichtbarmachung und Darstellung finde ich mich ganz gut, aber (natürlich) nicht bei mir selbst. Und klar, damit bin ich kein Einzelfall, ausnahmslos alle Selbstständigen, die ich kenne, haben ein Thema damit. Aber lesen kann ich das in ihren feschen Posts nicht – klar, wer will das Gejammer auch hören. Traut man sich nicht, das zu offenbaren, eben weil das Gejammer nerven könnte? Ist es deshalb weniger interessant und nicht wert, dieses Dilemma sichtbar zu machen? Weil es „nur“ uns selbst betrifft? Weil wir einfach klar kommen müssen damit? Gehört ja zu Business. Aber eigenartig, Betroffenheitsbekundungen sind doch eigentlich im Trend. Warum schreiben nicht mehr darüber. Ich würde gern lesen, dass sich da jemand genauso quält wie ich. Oder – weia, nicht aufgepasst – macht man das etwa nicht? Klar macht man es nicht, wil niemand hören, ist uncool, und ich mach mich hier gerade 1a zur Äffin. Aber hilft nun eh nichts mehr, der Artikel ist ja jetzt raus (Anm. heute: von wegen). Aber mal ehrlich, wer ist denn wirklich Fan von Fehlerkultur und Scheitern als Chance im eigenen Gärtlein? Na ich hab jetzt jedenfalls eine reelle Chance …
Natürlich hab ich Vorbilder, die ich für ihr Eigenmarketing regelrecht verehre, doch was macht es mit mir, wenn einer dieser Menschen sich meinen Newsletter abbestellt, just in dem ich über etwas berichte, was ich gemacht habe, meine Idee war, mir wichtig ist? Ich hoffe im Stillen, dass er es nicht gemacht hätte, wenn ich mich nicht hinter dem „wir“ versteckt hätte, mit dem ich meine Newsletter für den Weiterbildungsverein Diesterweg Hochschule e.V. schreibe, dem ich vorsitze. (Scheiterhaufen la la la.)
In dem Newsletter ging es um die Kampagne für Kinder, die ich mir ausgedacht hatte, aus dem Wunsch heraus, etwas beizusteuern für die während der coronabedingten Kontaktsperre in vielen Haushalten. Ich war/bin zutiefst überzeugt von dem Projekt, wollte es also in möglichst viele Haushalte streuen, war gleichzeitig völlig beschäftigt mit der Umsetzung und zudem überfordert mit dem Marketing zur eigenen Idee.
In-Netzwerke-streuen ist das Gebot der Stunde, aber in Wahrheit sind die EmpfängerInnen oft die Freundeskreise, die man ja auch nicht ständig nerven will mit den tollen Ideen. Ich bin zu etlichen coronabedingten Videorunden eingeladen worden, was unbedingt zu netzwerken zählt, mich zeitlich allerdings mitunter lahm legte und dennoch hemmte, meine Projekte in die jeweilige Runde zu schmeißen.
Mein absolutes Vorbild im digitalen Eigenmarketing ist meine gute Freundin und digital 1a vernetzte und umtriebige Simone Orgel
. Sie ermuntert mich auch seit vergangenem Herbst, endlich sichtbar zu machen, welchen Workshop ich für die Akademie der GIZ gehalten habe – wen wunderts – zur Selbstfürsorge (über Bande via Pflanzenwelt, bin ja auch Gärtnerin). Klar bin ich da mies drin, sonst könnte ich kein Seminar dazu halten. Auch von diesem Konzept bin ich (bzw. war ich dann irgendwann endlich) überzeugt, aber deswegen so viel Wind drum? (Funfact, der Workshop hat bei mir selbst als allerletzte funktioniert, ich hab nach meiner Pflanze über ein halbes Jahr geforscht).
Und jetzt geht das gerade wieder los, ich hab nämlich mit Inga Beeck
für Wertansicht einen Workshop zu Wahr nehmen konzipiert, der – ja genau – beworben werden will. Tja, jetzt schnell ducken, wer keine freundliche Einladung zur Teilnahme will.
So, nun ist es offenbart, das Scheitern ist angezählt, ich handle quasi unter Todesgefahr, was das nun an Reaktionen und – ha, noch viel schlimmer: Nicht-Reaktionen hervorruft, aber mal sehen, vielleicht trau ich mich, den ehemaligen Kollegen direkt anzuschreiben … (Anm. heute: not.)
Ich schließe mein Hadern mit Selbstmarketing mit Kästner, schließlich hat er meine Kindheit geprägt (für den Begriff „Haarweh“ aus Pünktchen und Anton bin ich ihm auf ewig dankbar, niemand sonst hatte mich damals verstanden) und mein Vater hatte es mir ins Poesiealbum geschrieben: „Es gibt nichts Gutes, außer man tut es.“ Heutzutage schallt es von allen Seiten ‚einfach machen‘. Ja ja, einfach scheitern ist ja auch ein toller Slogan. Erfolgreich scheitern geradezu. Aber ok, in diesem Sinne, hiermit gebe ich alles in eure Hände, liebe Welt, liebes Netzwerk, für die Weiterverbreitung des Guten. ‚Todesmutig‘ = nach wie vor nur auf dem eigenen Blog, aber eins nach dem andern.
Und während ich auf den Todesstoß warte, staune ich weiter über all jene, die das so mühelos können, das mit dem Selbstmarketing.